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Von Jens Ritters Instrumenten erwartet man nicht weniger als die absolute Spitze. Zum Glück gibt es davon aber viele Nuancen, wo bliebe sonst die Vielfalt? Dieser Fivestring verpackt seine Spitzenleistungen in gediegene Stilsicherheit.
Nicht jeder möchte sich eine alte Schulbank, Swarovski-Steine, Leuchtlack oder krasse Psychedelik umhängen, dabei muss ein Ritter ohne das alles ja noch längst nicht langweilig werden. Mutter Natur hilft hier weiter, und Jens Ritter ist ja auch dafür bekannt, bei den exklusivsten Holzstücken zuzugreifen. Hat man jemals ein detailreicheres, wilderes und vollkommeneres Korpusholz als dieses hier gesehen? Und wirklich zahm sieht der Nobelholz- Raptor auch nicht aus.
Attacke mit Stil
Mit Sicherheit erfüllt allein schon der kultig geformte Korpus aus Spalted Maple Burl das absolute Spitzenkriterium. Und er besteht aus einem einzigen Stück! Der knackige Highend-Hochglanzlack auf PU-Basis präsentiert die Holzlandschaft plastisch wie unter Glas, und da ist von Riegelungen, Löckchen, knolligen Stellen bis hin zu schwarzen Pilzlinien alles dabei; so ein Stück ist selten zu finden, und wenn, dann muss man schon tief in die Tasche greifen. Geformt wird der Großkorpus mit der markanten Räuberklaue ohne CNC-Hilfe von Hand, und natürlich zeigt sich bei diesem Bass auch die Kopfplatte mit der passenden Knolle. Um den offensiven Raptoren zu stärken, ist der Hals aufgeschraubt; das ergibt mehr Attacke, denn einen singenden, schwelgenden Neck-Through-Sound würde man vielleicht weniger bei der aggressiven Form erwarten. Es wird sich allerdings noch herausstellen, dass er auch den draufhat, doch der Reihe nach.
Die Ballends der Saiten werden im Korpusholz verankert. °
Der Schraubhals ist keine bunte Torte, sondern straight aus drei harten Ahornstreifen gebaut, mit schnurgeradem Wuchs und stehenden Jahresringen: Entsprechend geradlinig, direkt und obertonstark wird der Ton ausfallen. Etwas diszipliniert und aufgeräumt durch das Ebenholzgriffbrett, welches gegenüber purem Ahorn die scharfen Mitten dezent ausbügelt. Ordentlich im Body fixiert ist der Hals auch, in Ritter-typischer Gründlichkeit mit acht Schrauben. Wie beim Body, veredelt knackig polierter PU-Hartlack die Hals-Oberflächen, der Perfektionsgrad in der Verarbeitung geht abermals in die absolute Spitze!
Geschmackvoll sind dazu die fetten, herzförmigen Tuner-Knöpfe gewählt, die an gekapselten Gotoh-Tunern mit Ritter-Logo drehen. Auch den klemmarretierten 3D-Steg von ETS hat Ritter nicht selbst gemacht, aber gut ausgewählt. Einerseits so fest und massig, dass Sustain und Detailreichtum gewährleistet sind, aber wiederum nicht so fett, dass die Rückmeldung der Hölzer ganz ausgeblendet würde. Für deren Einfluss sorgt auch die einzelne Verankerung der Ballends im Korpusholz. Bei den Masterbar- Humbuckern mit den Ebenholzkappen handelt es sich um Anfertigungen von Harry Häussel, die nicht nur mit seriell geschalteten Spulen als Humbucker, sondern auch im „Singlecoil“-Modus vollkommen brummfrei arbeiten. Die Umschaltung wurde unauffällig in die doppelstöckigen Potis für die Klangregler integriert.
In diesem außergewöhnlichen Holzstück sind alle möglichen Wuchsvarianten vereint. °
Klaus Noll fertigt für Ritter die C-3-S-Elektronik, die neben drei aktiven Klangreglern auch viele weitere Funktionen erfüllt, ohne das schöne Instrument mit zu vielen Knöpfchen zu befrachten. Im Master-Volume ist der Zugschalter für den Passiv-Modus untergebracht, die Pickup-Mixtur wird per Überblender eingestellt. Der aktive Höhenregler und die passive Höhenblende sind in einem doppelstöckigen Poti zusammengefasst, wobei die Höhenblende nur im Passiv-Modus arbeitet. Zusätzlich ist ein Zugschalter in das Spezialpoti integriert, um den Hals-Pickup vom zweispuligen Betrieb auf „Singlecoil“ umzuschalten. Ähnlich sind Bässe und Mitten organisiert, wobei hier der Zugschalter für die Spulen-Anwahl des Steg-Tonabnehmers zuständig ist. Und so bietet der Raptor mit einem aufgeräumt wirkenden Bedienfeld umfangreiche Variationsmöglichkeiten.
Immer stark
Der große Raptor ist ein Extralongscale mit 889-mm-Mensur, was aufgrund des strafferen Saitenzugs klare Definition bei mächtiger Tongewalt sichert. Trotz des langen Halses hängt der Fünfsaiter ausgewogen und stabil in Position, seine 4,4 kg erscheinen dabei maßvoll und ziehen nicht an der Schulter. Für Slapper ist das im Kundenauftrag gebaute Instrument weniger ausgelegt, weil hier das Griffbrettende wie eine Rampe sanft zum Hals-Tonabnehmer hin ausläuft. Doch in solchen Details kann man natürlich bei der Bestellung auch mitreden.
Extrem stabile Verbindung von Hals und Korpus. °
Machtvolle Präsenz und extrem klare Artikulation sind die Grundwerte, aber der Extralongscale entwickelt neben präzisem Attack auch ein üppig langes und ausgewogen bassstarkes Sustain; schließlich sind in den Ahornhals auch zwei Graphitstäbe integriert, die nicht nur versteifende Wirkung haben, sondern auch in jeder Lage kerngesunde Schwingungseigenschaften sicherstellen. Der Humbucker-Sound verbindet dabei Wuchtigkeit mit viel Perkussion und genauer Tonansprache, während die Einzelspul- Einstellung mehr auf frische Obertöne, charaktervolle kehlige Nuancen und präsenten Biss setzt. Während beim Hals-PU die stegnähere Spule abgeschaltet wird, geschieht beim Steg-PU im Singlecoil-Modus das Gegenteil – die weit auseinander liegenden Spulen sichern dabei maximal unterschiedliche Klangbilder, was die Palette bereichert. Die passive Höhenblende arbeitet wie beschrieben nur im Passiv-Modus, was den Vorteil hat, dass man sich unabhängig von der Aktiv-Einstellung einen runden Passiv- Sound zurechtlegen, und ohne vorherige Klangkorrektur flink umschalten kann. Durch die 18-Volt-Speisung ist die Aktiv- Elektronik übrigens extrem dynamikfest und bewältigt auch in den Extremeinstellungen bei fester Spielweise bemerkenswert saubere Tondarstellung.
Der Raptor-Body wird von Hand und ohne computergestützte Fräshilfen geformt. °
Klare, feste Tonkonturen, mächtige Basswucht, gefährlicher Growl und stimmige Highend-Manieren quer übers ganze Griffbrett zeichnen diesen rundum starken Fivestring aus, der auch in Anbetracht seiner beträchtlichen Variabilität vorzeigt, was die absolute Spitze im aktuellen Instrumentenbau ist.
Resümee
Absolute Spitzenleistungen bietet der Raptor nicht nur in spektakulären Hölzern, perfekter Verarbeitung und hochwertigster Ausstattung, er spielt sich auch ungemein präzise und entfaltet gewaltige Tonmacht in einer Trias aus Klarheit, angriffslustigem Attack und bassstarkem Sustain. Freilich liegt dafür auch der Preis in der absoluten Spitze, aber so ist es nun einmal, wenn man das Beste ohne jeden Kompromiss haben möchte.
Plus
- Klangverhalten, direkte Tonansprache, Sustain-Frequenzumfang
- Sound-Variabilität
- Hölzer
- Verarbeitung
- Ausstattung
Minus
- atemberaubender Preis
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(Aus Gitarre & Bass 05/2018)