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Channel: Equipment – GITARRE & BASS
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Mooer Cali-Dual + Fried-Mien + Matchbox

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Mooer Cali-Dual, Fried-Mien, Matchbox

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Vor knapp einem Jahr brachte Mooer auf einen Schlag gleich zehn Modelle dieser kleinen Modeling-Preamps auf den Markt, Test in G&B-Ausgabe 07/2017. Alle ahmen Röhren-Amp- Klassiker oder bekannte Boutique-Verstärker/-Combos u. ä. nach. Scheinen wohl gut anzukommen, Fortsetzung folgt, drei weitere Modelle buhlen nun um die Gunst des Käufers.

Digitale Kopien

Modeling heißt Nachbildung, heißt emulieren, heißt kopieren … Heißt, die Sampling- Rate-freie analoge Welt in binäre Aussagen zu übersetzen und zu replizieren. Mehr oder weniger präzise und detailgetreu. Lässt man die beiden Sätze auf sich wirken, muss eines klar sein: Von Röhren-Amps, deren Elektronik sich in der Gegenwart von Gitarrensignalen ständig in veränderlichen Spannungszuständen, dynamischen Prozessen befindet wahre 1:1-Abbilder zu erstellen, ist nach dem derzeitigen Stand der Technik nicht möglich. Auf irgendeine Art und Weise müssen immer Kompromisse hingenommen werden. Selbst wenn es sich um besonders aufwendiges, kostenintensives Digital-Processing handelt. Solchermaßen geerdet können wir den Mooer Micro Preamps realistisch begegnen. Man darf von der Sound-Versprechungen nicht zu viel erwarten, aber wie der Test der ersten zehn zeigte, arbeiten die miniaturisierten Vorverstärker klanglich sehr ansprechend und durchaus charakterstark. Sie zeichnen sich zunächst aber dadurch aus, dass auf kleinsten Raum relativ viel Funktionalität geboten wird. Gain (Verzerrungsintensität) und Volume werden durch eine Dreibandklangregelung ergänzt. Die Preamps haben sogar zwei Kanäle bzw. Soundmodes, Clean und Distortion. Der Fußschalter bzw. -taster kann auf zwei Arten arbeiten: Er dient entweder schlicht zum Ein-/Ausschalten (True Bypass lt. Hersteller) des Preamps, oder er wechselt zwischen den beiden Sounds/Preamp-Kanälen. Hält man den Fußtaster ein bis zwei Sekunden gedrückt, wechselt er zwischen den Modi.

Desgleichen verhält es sich mit dem CH/Cab-Druckschalter, der den manuellen Kanalwechsel ermöglicht oder alternativ eine Speaker-Simulation aktiviert/ deaktiviert. Ja, viel drin in den kleinen Kästchen. Das erklärt den recht hohen Strombedarf. Sie schlucken 300 mA bei 9 V. Wie nicht anders zu erwarten, ist die Elektronik in modernster Platinentechnik aufgebaut, sprich es finden unter anderem SMD-Komponenten Verwendung. Die Verarbeitung ist hochwertig, der mechanische Aufbau absolut solide.

Wie benutzen?

Der Gedanke liegt nahe, die Micro Preamps wie andere Pedalgeräte vor dem Eingang eines Gitarren-Amps zu benutzen. Dafür sind sie aber nicht gemacht. Mooer empfiehlt, das Ausgangssignal direkt auf eine Endstufe zu geben, d. h. der Effekt-Return oder der Power-Amp-In eines Verstärkers ist der richtige Anschluss. Noch präziser, der Hersteller weist sogar darauf hin, dass ein hochwertiger Röhrenverstärker der beste Partner der Micro-Preamps ist (was ja schon fast die halbe Miete einfährt, oder? ;-).

Wer mit seinem Pedalboard ohnehin schon so arbeitet, kann cool bleiben. Diejenigen aber, die z. B. nicht auf die Vorstufe ihres Combos verzichten wollen, fragen sich vermutlich, wie sie beides zusammenbringen können. Ich beschrieb eine von mehreren Möglichkeiten bereits im ersten Test der Micro-Preamps: Wenn ein Signal-Looper zur Verfügung steht, überlässt man einen der Insert-Wege dem Mooer-Preamp, sodass er wahlweise in den Signalweg kommen kann. Ein weiterer Loop-Weg wird als A/B-Box genutzt, damit eben wahlweise der Input des Gitarrenverstärkers oder der Return des FX-Weges angesprochen werden kann. Dies nur als exemplarisches Beispiel. Je nach vorhandenen Gerätschaften müssen eventuell passende Detaillösungen gefunden werden.

Zur Praxis sei vorweg angemerkt, dass die Preamps funktional keine negativen Merkmale zeigten. Die Schaltvorgänge erfolgen ohne unangemessen intensive Nebengeräusche (aber: True-Bypass- On/Off erzeugt ein durchaus vernehmbares Knacken). Da der Fußschalter allein durch das kurze Gedrückthalten zwischen der On/True-Bypass Funktion und dem Channel-Select-Modus wechselt, ist es ein Leichtes, das im Live-Betrieb zu nutzen. Als praxisfreundlich erweist sich auch die Cab-/Speaker-Simulation der Pedale. Als D.I.-Quelle geben dieMicro-Preamps eine gute Figur ab.

Cali-Dual

Unter den ersten zehn Micro-Preamps befand sich der sogenannte Cali- MKIII, der auf den Boogie MKIII von Mesa Engineering Bezug nimmt. Was mag demnach also mit dem Zusatz „Dual“ gemeint sein? Es drängt sich je geradezu auf, klar, der Dual Rectifier, der zu Zeiten seines Erscheinens neben Peaveys 5150 die Geburt einer neuen Amp-Spezies markierte. Besondere Merkmale: machtvolle Distortion, insgesamt voluminös im Klang, fette Energie im Bassbereich, präzises und doch noch nachgiebiges Attack-Verhalten. Kann der Cali-Dual diesen Vorgaben das Wasser reichen? Natürlich nur eingeschränkt, doch es ist letztlich beeindruckend, wie markant der Mooer-Preamp vor allem im Distortion-Kanal/-Modus das Timbre aufgreift. Viel Gain in Reserve, dichte Verzerrungen, kompakt, adäquater Druck in den tiefen Frequenzen. Ergibt sowohl brachiale Hardcore-Powerchords als auch satte, tragfähige Leadlines, die im Ausklang – sehr lobenswert – organisch und gleichmäßig ausschwingen. Gerade damit haben Modeler nicht selten gewisse Schwierigkeiten, was sich dann im abrupten Zerbröseln der Verzerrungen zeigt.

Cali-Dual

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Erfreulich ist auch, dass die Klangregelung nachhaltig arbeitet und die Sound- Balance zwischen den beiden Kanälen günstig austariert gewählt ist. Der Clean- Modus ist naturgemäß unspektakulärer. Der Name ist Programm, er bleibt stabil sauber, verzerrt von sich aus bei normalen Pegeln nicht. Im Ton dominieren Transparenz, klare Artikulation der Instrumenten- und Spieldetails und gesundes Volumen. In einer Art, die beim Modeling mehr oder weniger immer erkennbar ist, wirkt die Clean-Tonformung etwas kühl und leicht aufdringlich in den Höhen und oberen Mitten. Angesichts des Preises ist das allerdings ein Naserümpfen auf allerhöchstem Niveau.

Fried-Mien

Ein bisschen die Zunge verrenken,mit der Aussprache, den Buchstaben jonglieren, dann klärt sich, wer oder was hier das Thema ist. Fried-Mien, fried men, fried man, Friedman. Untertitel: „Modern Day Classic“. Natürlich, wenn klassische und moderne Ikonen Thema der Micro-Preamps sind, muss auch von der in den letzten Jahren die Szene prägenden US-Edelmarke etwas dabei sein. Friedmans Modell Brown-Eye, ein in die technische und Musikalische Moderne transferierte Interpretation des legendären Marshall- Superlead, dürfte für das Modeling der Bezugspunkt gewesen sein. Der Ton des Fried-Mien weist im heißen Channel 2 jedenfalls in die Richtung.

Fried-Mien

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Angereichert mit einem verhalten aggressiven Mitten-Peak sind die Verzerrungen und der Ton vehement aber noch durchsichtig, nicht betont kompakt. Fried-Mien liefert im Sinne des traditionellen Marshall- Sounds reichlich Gain-Reserven aber kein High-Gain. Daraus ergibt sich für die gespielten Noten allemal Tragfähigkeit, doch die Sustain-Phase ist nicht lang. Aber wiederum, wie beim Cali-Dual, homogen in ihrem Ausschwingen. Von Humbucker-Pickups gefüttert blüht der Fried-Mien schön auf, erzeugt viel Druck im Bass, fettes Volumen, wirkt in sich abgerundet. Singlecoils haben es schwerer, weil sie a) an den Gain-Reserven nicht satt werden und b) die stets hervorlugende Aufdringlichkeit in den oberen Mitten durchaus ein wenig fies werden kann. Ein Stück weit Geschmacksache, wer weiß, der eine oder andere findet vielleicht gerade daran Gefallen. Dass bei größeren Akkorden im Hintergrund zum Teil erhebliche Interferenzen Turbulenzen erzeugen, ist dagegen objektiv ein Schwachpunkt. Powerchords (Grundton plus Quinten) stehen dafür wie eine Eins. Positiv ist außerdem, dass der Distortion-Ton eine gute Portion Lebendigkeit im Obertonspektrum entwickelt. Der cleane Channel 1 ist in seinen Grundanlagen dem des Cali-Dual ähnlich. Die besagte „britische“ Mittennase schafft aber eine eigene Färbung in der Klangformung. Heißere Tonabnehmer können den Channel 1 zu subtilen Anzerrungen provozieren, die im Charakter tendenziell bissig bis harsch klingen. Also insgesamt: Der Fried-Mien ist schon ein barscher Geselle, der Musik der härteren Gangarten bevorzugt, no Blues, no Pop please.

Matchbox

Ganz andere Baustelle. „Basiert auf einem Class-A-Combo im britischen Stil“ heißt es in der Beschreibung. Da fällt einem natürlich sofort der AC30 von Vox ein (auch wenn der streng genommen gar nicht wirklich im Class-A-Betrieb arbeitet). Dass der tatsächlich gemeint ist, oder was überhaupt, spricht Mooer nicht offen aus. Natürlich nicht, denn andernfalls stünden wohl unangenehme Trademark- Streitigkeiten ins Haus. Lautmalende Andeutungen müssen genügen. Also AC30. AC30? Äääähh, nachdem was ich da höre … nein … nicht wirklich irgendwie. Das Rätsel löst sich um drei Ecken. Es ist im entfernten Ursprung durchaus die britische Legende eine Bezugsgröße, aber nur insofern, als der AC30 die Vorlage für einen Verstärkermit anderer, weiter entwickelter Natur war. Tatsächlich geht es beim Matchbox um den DC30 von Matchless. Der ist aber so etwas von einem US-Produkt. Na gut, was solls, die Verwirrung ist ja nun geklärt.

Matchbox

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Der DC30 ist um einiges stabiler, kraftvoller und auch härter im Ton als sein Ahne. Mit dem Resultat eines eigenen Charakters. Was macht Mooers Modeling daraus? Im Channel 1 eine voluminöse Clean-Basis ohne Ecken und Kanten. Kraftvoll, transparent, frisch in den Höhen, etwas nüchtern und verhalten warm. Der Channel 2 gibt sich viel markanter. Die Verzerrungen wirken, als hätten sie ihren Schwerpunkt in den obersten Frequenzen, wo sie sich im positiven Sinne bissig und dicht in den Vordergrund drängen. Ja, das kann man durchaus mit dem DC30 in Verbindung bringen. Auch das stabile Fundament im Klang, mit bei Bedarf viel Bassanteilen, dank der – wie bei den anderen beiden Micro-Preamps – effizienten Klangregelung. Der Channel 2 outet sich als kerniger Rocker, der nicht allzuweit weg von traditionellen Marshalls steht. Was sicher jedem gefällt, ist die Tatsache, dass der Matchbox intensivere Verzerrungen freimachen kann als sein Vorbild. Und die bilden sich bei Akkorden relativ harmonisch ab, gefälliger als beim Fried-Mien. Mit einem kleinen Trick, wenn ich es so nennen darf, macht der Matchbox auch ganz ordentlich den AC30 nach. Was zeichnet den aus? Er ist eher dezent im Bass, fördert die oberen Mitten und den Glanz in den Höhen. Bitte sehr, den Bass-Regler zurücknehmen am Matchbox, Middle und Treble passend angleichen, dann kann man durchaus etwas von der Aura des alten Vox erleben.

Resümee

Preiswertes Modeling mit erfreulich ansprechenden Sound-Qualitäten. Das bringt das Testergebnis kurz und bündig auf den Punkt. Den Ton ihrer Röhren- Amp-Vorbilder reproduzieren die Micro- Preamps nicht wirklich authentisch, aber doch in recht charakterstarker Annäherung. Ansprache und Dynamik sind gut entwickelt. Effiziente Klangregelungen und sehr praktikable Speaker-Simulationen garantieren große Flexibilität. Der Fried-Mien zeigt mit unharmonischen Verzerrungen von Akkorden eine gewisse Schwäche. Die ist aber angesichts des niedrigen Preises nur bedingt relevant. Unsere drei Testkandidaten sind markant im Charakter und unterscheiden sich zumindest im Distortionsound deutlich. Das trifft genauso auf die übrigen zehn Micro-Preamp-Modelle zu. Ich empfehle daher, vor dem Kaufentscheid mehrere eingehend miteinander zu vergleichen – die Mühe lohnt.

Internet: www.mooeraudio.com

Preise (UVP/Street): ca. € 106/89

Plus

  • Sound, Qualität, Bandbreite
  • zwei Kanäle, variable Bedienung
  • Speaker-Simulation zuschaltbar
  • Verarbeitung, Qualität d. Bauteile

Soundfiles

Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

 

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(Aus Gitarre & Bass 05/2018)


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