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Channel: Equipment – GITARRE & BASS
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Charvel Satchel Signature Pro-Mod DK

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Charvel Satchel Signature Pro-Mod DK

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Es ist noch gar nicht lange her, da musste ich lachen, als ich in einer Modezeitschrift von der Rückkehr der 80er-Jahre las. Jetzt lache ich nicht mehr, denn sie sind tatsächlich wieder da, und das mit Macht. Aber die neue Charvel Satchel Signature zaubert mir dann doch ein nostalgisches Schmunzeln ins Gesicht. Lassen wir den Tiger aus dem Tank!

Als ich vor fast 30 Jahren zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand nahm, eroberten Guns N‘ Roses, Gary Moore und kurz darauf Pearl Jam die Heavy Rotation auf MTV. Dementsprechend wurde ich in der entscheidenden, frühen musikalischen Phase meines Lebens auf Gitarren im Retro-Look gepolt – wer damals noch mit einer der quietschbunten „Superstrats“ der 80er zum Schul-Jam erschien, erntete mitleidige Blicke. Über Nacht war der Look des „Hair Metal“-Genres uncool geworden. Vor einigen Jahren tauchte nun eine Band auf, die nicht nur auf jegliche Moral beim Texten verzichtete, sondern den bunten Metal-Stil der 80er wieder cool machte – Steel Panther. Mittlerweile spielen die Kalifornier an prominenter Stelle auf sonst komplett in Todesschwarz uniformierten Festivals wie Wacken.

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Seitdem überschlagen sich die Gitarrenhersteller, die Geschmacks-Palette der 1980er wieder aufleben zu lassen. Da darf Charvel nicht fehlen – nun gelang der Fender-Tochterfirma der Coup, Russ „Satchel“ Parrish, Gitarrist von Steel Panther, als Signature-Artist zu gewinnen und von Kramer (die ihn vorher als Endorser unter Vertrag hatten) abzuwerben. Ich bin fast erblindet, als ich das neongelbe „Lovechild“ von Charvel und Satchel aus dem Karton holte!

Flitzefinger

Die Satchel-Signature basiert auf der Pro- Mod DK von Charvel (der sogenannten „Dinky“-Korpusform) und reiht sich in ein illustres Programm an Artist-Modellen ein, in dem sich bereits die Äxte von Warren DeMartini und Jake E. Lee tummeln – zwischen denen ist ja auch Satchel stilistisch zu verorten.

Zunächst ist die Satchel-Signature eine reinrassige „Superstrat“ – das heißt, die Form entstammt dem berühmtesten Gitarrendesign aller Zeiten, der Stratocaster, wurde aber zugunsten moderner Musikstile erheblich aufgebohrt. Fangen wir beim Kopf des Tigers an: Das Design konnte Charvel, dank der Zugehörigkeit seit 2002 zum Fender-Imperium, ganz legal von der Stratocaster übernehmen. Die Mechaniken sind wie auch der Rest der Hardware schwarz chromiert – um welche es sich handelt, kann man nur mutmaßen, es steht nur der Firmenname drauf. Sie verrichten klaglos ihren Dienst.

Charvel Satchel Signature Pro-Mod DK Hals

Mattes Ahorn °

Von dort laufen die Saiten unter einen Saitenniederhalter und über den für eine Floyd-Rose-Konstruktion obligatorischen Klemmsattel – entsprechende Inbusschlüssel zur Einstellung liegen bei. Der Hals ist aus matt lackiertem Ahorn mit ebensolchem Griffbrett. Um den modernen Look nicht zu kompromittieren, wurde nichts dunkel gebeizt, beide Ahornkomponenten wirken fast „weiß“, und dürften nach zahllosen Gigs wunderbar natürlich an Patina gewinnen. Das Profil ist ein sehr flaches, weites „D“ mit verrundeten Griffbrettkanten, die sich sanft in die Handfläche schmiegen – da behindert nichts die Flitzefinger. 648 mm (also Strat-) Mensur, 22 Jumbobünde, sowie ein Compound-Griffbrettradius – er steigt von 12 auf 16 Zoll an – so lassen sich die restlichen Features des ultra-bequemen und auf schnelles Spiel ausgelegten Halses zusammenfassen. Der mit Graphit verstärkte Trussrod ist von der Korpusseite zugänglich, man muss allerdings den Hals dazu nicht abnehmen, denn das Stellrädchen lässt sich mit einem Schraubenzieher von oben betätigen – sehr bequem und praxisnah. Der „Dinky“-Korpus weist etwas tiefere Cutaways auf als ein normaler Strat-Body.

Die Hand kann hier genau einen Bund weiter rauf rutschen, so kommt man besser an die oberen Bünde; für totales Flutschfinger-Feeling könnte man sich noch einen abgeschrägten Halsfuß wünschen. Für die Tonabnahme sorgen zwei Fishman Fluence Classic Humbucker, und zwar der PRF-CHB-BB1 an der Brücke und der PRF-CHB-NB1 am Hals. Die sehen gar nicht nach aktiven Tonabnehmern aus, sind es aber – das Batteriefach ist hinten am Korpus ohne Gefummel leicht erreichbar.

Zieht man das einsame Volume- Poti, wird eine Art Mitten-Boost für beide Pickups aktiviert, der aus den sonst eher gemäßigt klingenden Aggregaten scharfe Tigertangas macht! Daneben schaltet ein Toggle-Switch die Pickups, auf ein Tone-Poti haben Charvel und Satchel verzichtet. Das Floyd Rose sorgt reibungslos für Großkatzen-Gejaule. Es sitzt schwebend auf dem Korpus und ist nicht unterfräst. Wer nicht mit einem Floyd Rose vertraut ist, sollte vor dem Saitenwechsel ein Tutorial- Video oder entsprechende Lektüre zu Rate ziehen. Denn der erfordert Kenntnisse und Erfahrung, sonst artet er in unchristliche Flucherei aus.

Kommen wir nun zum Tiger selbst. Eine gewisse Ähnlichkeit zur George-Lynch- Signature von ESP/Ltd ist nicht zu leugnen – Lynch ist ja stilistisch großes Vorbild von Satchel, die beiden stehen auch mal gern in Los Angeles zusammen auf der Bühne. Der Erlekorpus der Satchel wird schwarz gefärbt, abgeklebt und in fiesem Neongelb (sie nennen es „Yellow Bengal“) übermalt, danach per Hand geschliffen und mit einer mattierten Urethanschicht versiegelt.

Charvel Satchel Signature Pro-Mod DK Pickups

Fishman Fluence Classics °

Die Farbe kommt in der Realität noch krasser zur Geltung als auf Bildern. Geht es um Steel Panther, ist derber Humor immer dabei: Laut Satchel wurde für die Herstellung seiner Signature-Gitarre der letzte sibirische Tiger erlegt – Charvel allerdings beteuert, dass im Zuge der Produktion keine Tiere zu Schaden kamen …

Die in Mexiko (im dortigen Fender-Werk) gefertigte Gitarre ist tadellos verarbeitet und kommt ab Werk mit flutschigen 9er Saiten. Ein Gigbag ist leider nicht im Lieferumfang, was bei dem Preis der Gitarre (! 1249) schon ein bisschen mau rüberkommt. Die für eine Produktion in Mexiko relativ hohe Summe lässt sich dennoch auch mit dem aufwendigen Finish und den teuren Pickups erklären.

Arbeitstier

Beim ersten Griff fällt einem sofort der sehr flache, breite Hals auf. Nichts behindert hier das freie Spiel. Die Saitenlage ist ultra-niedrig eingestellt. Laut Satchel ist das nötig, um besonders schnell zu spielen – und das wiederum müsse man tun, um selbst flachgelegt zu werden! Ich lasse diese Aussage mal unkommentiert so stehen. Die Gitarre ist zudem recht leicht, was zu keinerlei Rückenproblemen führen sollte, auch wenn der gute Satchel nach Luftsprüngen auf der Bühne gerne mal entsprechend rumalbert.

Ich spiele die Charvel wie immer erst mal akustisch an. Das Klangbild ist erwartungsgemäß leise, drahtig-mittig, aber recht ausgeglichen und sauber. Man kann sehr feinfühlig die einzelnen Töne formen, die Gitarre reagiert erfreulich mit Resonanz und respektablem Sustain. Das Floyd Rose arbeitet gewohnt stimmstabil und selbst abgestoppte Abschläge mit aufgelegtem Handballen macht es ohne ungewollten „Pitch-Shift“ mit. Lassen wir den Tiger los, liefern die Fishman- Pickups eine Art „Best of“ aus der Soundkultur aktiver Tonabnehmer und eher gemächlicher PAFs – sie brüllen nicht los und sind erfreulich wenig steril, haben aber eben eine gewisse HiFi-Frische im Ton. Der Halsdoppelspuler klingt naturgemäß dunkler, es steckt aber eine Kühle im Klangbild, die ich keinesfalls klinisch finde, sondern eher erfrischend.

Für Musikstile, die eine gewisse Wärme erfordern, wie Blues oder Jazz, mag sich das weniger eignen, aber für die cleanen Parts im Pop, Prog, modernen Rock und Post-Rock (hab ich was mit P oder R vergessen?) auf jeden Fall. Diesem Klangbild entspricht auch der Steg-Pickup, nur eben mit mehr knalligem Biss. In der Mittelstellung wird es gefällig, so Richtung „Kuschelrock 28“. Mit gezogenem Volume-Poti lässt der Tiger dann bereits im Clean-Betrieb etwas die Muskeln spielen – ein Röhrenamp am Rande des „Break Ups“ geht mit dem „Voice“-Boost in Crunch über, ohne dabei Trommelfelle urplötzlich zu zerfetzen. Der Lautstärkeanstieg ist moderat, er räumt auch klanglich den Sound etwas auf und gibt ihm eine alternative Stimme – das eignet sich wunderbar, um Single-Note-Lines in cleanen Anwendungen leicht hervorzuheben, und danach auf eine flockige Rhythmus- Ebene zurückzukehren.

Charvel Satchel Signature Pro-Mod DK

Krasses Neongelb auf schnittigen Kurven °

So richtig zu Fauchen beginnt der Tiger aber erwartungsgemäß mit Gain, und es darf gerne etwas mehr davon sein. Der oft kritische Halstonabnehmer profitiert auch mit Verzerrung von der Frische der aktiven Konstruktion – lyrische Leads flöten präsent, fast schneidend durch den Mix. Für Slash-Jünger und Gary-Moore- Apostel ist das eventuell nicht das Richtige, da nicht sahnig genug – die Satchel- Signature hat auch kein Tone-Poti, um hier klanglich nachzuregeln. Der Stegpickup erweist sich dann als das eigentliche Arbeitsgerät der Gitarre, mit dem ja auch Satchel einen Großteil des Steel- Panther-Sets bestreitet. In Verbund mit dem Boost-Poti hat sich der gute Mann hier ein Werkzeug bauen lassen, mit dem er weitläufig auf der Bühne aktiv sein kann, ohne beim Pedalboard vorbeischauen zu müssen – das bei Satchel entsprechend spartanisch ausfällt. Egal, wo man auf der Bühne gerade ist: Beim Solo erhält man mit dem Boost eine singende Peitsche, ideal für den epischen Hardrock- Moment. Auch im Rhythmusbetrieb weiß der Tiger zu gefallen – liefert er doch eine durchsetzungsfähige Mittenfräse, die bei richtiger Amp-Einstellung und Anwendung wohl nie im Band-Kontext untergeht.

Alternativen

Wer sich für die Satchel-Signature interessiert, dürfte dies hauptsächlich wegen ihrer Ausstrahlung tun – denn sonst könnte er ja zu einer der zahllosen Alternativen von Charvel selbst (Pro-Mod DKSerie) oder der Konkurrenz – Ibanez, ESP/LTD, Schecter usw. – greifen. Auch diese Hersteller haben ihr Sortiment um Äxte im 80er-Hair-Spray-Look erweitert.

Die optisch ähnlichste Alternative wäre die ESP LTD GL200SBT George Lynch Tiger für schlappe ! 589, allerdings mit Singlecoil in der Halsposition und nicht mit so teuren Features gesegnet. Ibanez bietet das JEM-Design in gewagten Farben, entweder die günstige JEMJRSP (ca. ! 490) oder die sehr viel teurere JEM777 (ca. ! 3.500). Daneben kann man auch zur RG-652-Serie greifen (ca. ! 1.500). Schecter wirft derzeit die neue C-1 FR S SLS Elite (ca. ! 1.500) auf den Markt – mit durchgehendem Hals und Sustainer- Pickup, farblich etwas dezenter als die Satchel. Letzten Monat haben wir die PRS Multi-Foil besprochen, die aber in ihren Specs traditioneller gehalten ist. Wer also auf ein auffälliges Design Wert legt, der findet mittlerweile zahlreiche Alternativen in unterschiedlichen Preisklassen – dem Comeback der 80er sei Dank.

Resümee

Die Charvel Satchel Pro-Mod DK richtet sich ganz klar an Anhänger des knalligen Hardrocks der 80er-Jahre. Als Signature- Instrument für einen Saitenhexer wie Satchel in einer Band wie Steel Panther macht das Gerät auch total Sinn. Mit dem Boost-Poti liefert die Satchel zudem einen enormen Praxis-Mehrwert und empfiehlt sich mit den feinen Fishman-Pickups auch für zwar artverwandte, aber durchaus andere Genres. Ich behaupte, dass man einen Top-40-Coverabend mit ihr bestreiten kann – sobald aber ‚The Thrill is Gone‘ auf einer Setlist auftaucht, sollte kein strenger Muckerpolizist mehr im Publikum sein. Denn für warme, bluesige, ja gar jazzige Oldschool-Sounds ist sie weniger geeignet. Letztlich ist jedoch erlaubt, was beliebt, und niemand sollte sich für ein bestimmtes Genre ein bestimmtes Instrument ein- oder ausreden lassen.

Ein hervorragend spielbares Gerät mit scharfer Optik und tollen Pickups ist die Satchel allemal, und für mich beweist der Besitzer Mut zum Individualismus und einen großen Sinn für Humor.

Plus

  • Eyecatcher-Optik
  • Verarbeitung
  • Pickups & Elektronik
  • Sounds
  • Handhabung & Bespielbarkeit

Minus

  • kein Gigbag
Charvel Satchel Signature Pro-Mod DK Übersicht

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(Aus Gitarre & Bass 05/2018)


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